uk & forschung

Die "uk & forschung" erscheint einmal jährlich zum Jahresende als wissenschaftliche Beilage der Zeitschrift Unterstützte Kommunikation.

Für Mitglieder der Gesellschaft für Unterstützte Kommunikation und für Abonnent:innen ist sie im Bezug der Zeitschrift enthalten, kann aber auch einzeln beim von Loeper Verlag bestellt werden.

Download der deutsch- und englischsprachigen Abstracts der Ausgaben 1 bis 13

 

uk & forschung 13

Tobias Bernasconi, Liane Bächler, Marcel Feichtinger

Bedarf und Einsatz von Assistiver Technologie und Unterstützter Kommunikation
in den Förderschulen mit den Förderschwerpunkten Geistige Entwicklung und Körperlicheund motorische Entwicklung in Nordrhein-Westfalen
Ergebnisse einer empirischen Untersuchung

Zusammenfassung
Im Mittelpunkt der vorliegenden Studie stehen aktuelle Bedarfe an Assistiver Technologie und Unterstützter Kommunikation an den Förderschulen mit den Förderschwerpunkten Geistige Entwicklung und Körperliche und motorische Entwicklung in NRW. Mittels einer Fragebogenerhebung, an der sich 114 Schulen beteiligten, wurden 4.027 Schüler:innen erfasst. Der Gesamtanteil der Schüler:innen mit Bedarf an Unterstützter Kommunikation wird von den Schulen, die zu dieser Frage Daten geliefert haben, für den FSP GE mit 31,6% und für den FSP KME mit 32,9% angegeben. Hinsichtlich Assistiver Technologie werden Basisdaten erfasst, die ein breites Spektrum aktueller Hilfen in den Schulen zeigen. Mit Blick auf Barrieren und Herausforderungen für den Einsatz und für die Förderung von AT und UK an den Schulen benennen die befragten Lehrpersonen mangelnde Personal- und Zeit-Ressourcen sowie differenzierte Fortbildungsbedarfe.

Results of an empirical study on the need and use of Assistive Technology and Augmentative and Alternative Communication in special needs schools with the focus on mental, physical and motoric development in North Rhine-Westphalia.

Abstract
The aim of the study is to identify current needs for assistive technology and augmentative and alternative communication in schools for special needs in North-Rhine-Westphalia. This also includes recording the assistive technology used in schools and the challenges and barriers that arise in everyday school life. By means of a questionnaire survey, in which 114 schools participated, 4,027 students were collected. The total percentage of students in need of AAC was reported, by the schools that provided data on this question, to be 31,6% for students with intellectual disabilities and 32,9% for students with physical and motor disabilities. The collected
data illustrate a broad spectrum of current aids in schools. The interviewed teachers name lack of personal and time resources as well as differentiated training needs as barriers and challenges for the use and promotion of AT and AAC at schools.

Prof. Dr. Tobias Bernasconi
Universität zu Köln
tobias.bernasconi@uni-koeln.de

Jun-Prof.‘in Liane Bächler
Universität zu Köln
liane.baechler@uni-koeln.de

Marcel Feichtinger
Technische Universität Dortmund
marcel.feichtinger@tu-dortmund.de


Birger Weindel

Vergleich deutscher Gebärdensammlungen anhand manueller Komponenten: Eine
Synopse des Vokabulars von zehn Sammlungen mit Bezug zu Unterstützter Kommunikation

Zusammenfassung
Für die vorliegende Studie wurde eine Methode entwickelt, Gebärden unterschiedlicher Sammlungen zusammenzuführen und durch Vergleich der manuellen Komponenten deren Ähnlichkeit zu bestimmen. Ziel war die zusammenfassende Darstellung von Gemeinsamkeiten und Unterschieden einzelner Gebärdensammlungen, um eine Orientierung bei der Auswahl zu erleichtern und einen einheitlicheren Gebrauch von Gebärden im Umfeld unterstützt kommunizierender Personen zu unterstützen. Die hier dargestellte Synopse umfasst den Wortschatz von zehn deutschen

Sammlungen mit Bezug zu Unterstützter Kommunikation, zwei weitere Sammlungen wurden in den Vergleich mit einbezogen. Aus den Daten lassen sich sowohl die Ähnlichkeit einzelner Begriffe als auch die Ähnlichkeit ganzer Sammlungen herauslesen. Damit stehen für Gebärdensammlungen in Deutschland erstmals umfassende Vergleichsdaten zur Verfügung. Abschließend wird die Relevanz dieser Datensammlung für Nutzende wie auch für Urhebende von Sammlungen beschrieben mit Anwendungsbeispielen, die schon erfolgt, noch in Planung oder perspektivisch möglich sind.

Comparison of German sign collections based on manual components: A synopsis of the vocabulary of ten collections related to AAC

Abstract:
For the present study, a method was developed to consolidate signs from different collections and determine their similarity by comparing their manual components. The aim was to provide a comprehensive overview of the similarities and differences between individual sign collections, aiming to facilitate the selection process and promote a more consistent use of signs within the context of Augmentative and Alternative Communication. (AAC). The synopsis presented here encompasses the vocabulary of ten German collections related to AAC, with two additional collections included in the comparison. The data allows for the identification of both the similarity
of individual signs and the similarity of entire collections. This provides comprehensive comparative data for sign collections in Germany for the first time. Finally, the relevance of this data collection is described for users as well as creators of collections, with examples of applications that have already been implemented, are in planning, or will be possible in the future.

Birger Weindel
b.weindel@gesellschaft-uk.org


Maike Hanf

Teilhabeerleben durch Unterstützte Kommunikation Ergebnisse einer Einzelfallstudie

Zusammenfassung
Der vorliegende Artikel beschreibt eine qualitative Studie, die die Bedarfe von Eltern fokussiert, deren Kind eine elektronische Kommunikationshilfe nutzt. Dazu wurden vier leitfadengestützte Interviews geführt und ausgewertet. Es zeigt sich die Notwendigkeit einer weiterführenden Begleitung nach der Versorgung mit dem elektronischen Hilfsmittel, da Eltern in der Alltagsbegleitung ihrer Kinder unterschiedlichsten Herausforderungen in Bezug auf Unterstützte Kommunikation begegnen. Das ermöglicht ihnen, förderliche Verhaltensweisen in der gemeinsamen Kommunikation zu berücksichtigen und es ermöglicht ihren Kindern einen Zugewinn an Selbstbestimmung und Teilhabe.

Participation experience through Augmentative and Alternative Communication Results of a single case study

Abstract
This single case study focuses on the experiences of participation and involvement of a young person with complex communication needs in a school context. For this, an interview was conducted. Experiences of communication, both with and without the support of assistive technologies, and related experiences of participation were recorded. The results indicate the need for improvement of technical possibilities for the support of complex communication needs as well as better school didactics for assistive technologies.

Maike Hanf
hanf@skf-stolberg.de

 

uk & forschung 12

Nina Römer, Hannah Steinheber, Markus Scholz

Hintergrundfarben als Orientierungshilfen bei digitalen Kommunikationshilfen
Eine explorative Eye-Tracking Studie zur Effektivität in der Rekonstruktion auditiver Aussagen mit Metacom-Symbolen

Zusammenfassung
Digitale Kommunikationshilfen helfen, Partizipationsmöglichkeiten und Kommunikation von Personen mit Bedarf an Unterstützter Kommunikation zu verbessern. Visuelle Hinweisreize wie Hintergrundfarben könnten die Orientierung auf der Kommunikationsoberfläche erleichtern und so zu einer effektiveren Nutzung (höhere Geschwindigkeit und Genauigkeit) beitragen. Bisherige Studien konnten bei Kindern keine Vorteile von Hintergrundfarben feststellen. Bei Erwachsenen gab es in Abhängigkeit von der Rastergröße jedoch positive Effekte. Die Erkenntnisse stammen ausschließlich aus dem englischen Sprachraum und die Studien nutzten meist Picture Communication Symbols. Sie können daher nicht ohne Weiteres auf den deutschen Sprachraum übertragen werden. Anknüpfend an den internationalen Forschungsstand, sollten in der vorliegenden Studie 16

Studierende zwischen 21;8 und 31;1 Jahren in einem 4x8 Raster (32 Symbole) Drei-Symbol- Nachrichten, die ihnen auditiv präsentiert wurden, rekonstruieren. Als Informationsträger wurden Metacom Symbole genutzt, die nach semantisch-syntaktischen Aspekten angeordnet waren. Im Rahmen eines Between-Subject-Designs wurden die ProbandInnen randomisiert einer Bedingung zugeordnet (farbiger Hintergrund oder weißer Hintergrund). Erhoben wurden die Auswahlgeschwindigkeit sowie die Auffindegeschwindigkeit und die Blickpfade mittels Eye-Tracking. Die inferenzstatistische Auswertung der Auswahlgeschwindigkeit ergab keine signifikanten Unterschiede zwischen den Gruppen. Bei der Analyse der Blickbewegungen konnte deskriptiv- statistisch festgestellt werden, dass bei einem farbigen Hintergrund die Symbole langsamer fixiert wurden. Die Analyse der Blickpfade deutete zudem auf eine unsystematischere Suche nach den Zielitems hin. Hintergrundfarben erweisen sich also in der vorliegenden Konfiguration bei der untersuchten Gruppe als nicht effizient. Es bleibt zu erforschen, ob dies auch für Kommunikationsoberflächen mit einer höheren Symbolanzahl gilt und ob sich die Ergebnisse bei der eigentlichen Zielgruppe bestätigen.

Background color cues in speechgenerating Devices
An exploratory eye-tracking study of the efficiency in the reconstruction of auditive messages using Metacom symbols

Abstract
Speech-generating devices foster participation and communication for persons with complex communication needs. Background color cues may facilitate orientation in grid-displays and should therefore lead to a higher efficiency (speed and accuracy) in communication. However, studies with children show no benefit of background colors compared to white background. Whereas results with adults indicate advantages depending on the grid size. Previous studies are from English-speaking countries and often use Picture Communication Symbols. Therefore, results may not be entirely valid for German-speaking countries. Thus, this study is based
on international findings, uses Metacom symbols and different sentence structures. Sixteen university students from 21;8 to 31;1 years reconstructed three symbol messages that were presented auditorily on a 4x8 grid (32 symbols). Vocabulary was structured using semantic and syntactic aspects. Students were randomly assigned to one of the two conditions (background color or white background). Eye movement, location speed and selection speed where measured. Statistical analysis showed no significant difference in selection speed between the groups. Descriptive analysis displayed a slower location speed in the background color condition, also the gaze plots indicate that the search for the target symbols were less systematic. Hence background color cues were not efficient in the present configuration for the study group. Future research should validate if this is also true for bigger grid sizes and the relevant target group.

Nina Römer
Hannah Steinheber
Prof. Dr. Markus Scholz
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
markus.scholz@ph-ludwigsburg.de


Barbara Giel, Uta Hellrung, Andrea Liehs, Carolin Garbe, Ilona Rubi-Fessen, Sina Schuchmann

Wer nimmt UK-Beratung in Anspruch? Ergebnisse einer retrospektiven Studie

Zusammenfassung
Die Beratung von Menschen ohne ausreichende Lautsprache ist ein aufwendiger und komplexer Prozess. Bislang gibt es in Deutschland keine einheitlichen Regelungen zur Qualitätssicherung, zum Versorgungsablauf und zur Vergütung. Es existieren zudem kaum quantitative Daten zu den Personengruppen, die UK-Beratung in Anspruch nehmen. Welche Altersgruppen werden vorrangig in der Beratung gesehen? In welchen Lebenssituationen befinden sich die Personen? Welche medizinischen Diagnosen bringen sie mit? Und was macht die Beratung und Versorgung von Menschen mit Bedarf an Unterstützter Kommunikation so komplex? In zwei UK-Beratungsstellen in NRW wurden die Personen erfasst, die in den Jahren 2019 und 2020 die sogenannte „Umfassende Diagnostik und Beratung zum Bedarf an Unterstützter Kommunikation“ in Anspruch genommen haben. Dazu wurden die von den Berater:innen verfassten Gutachten retrospektiv analysiert. Die gewonnenen Daten aus n= 308 Gutachten
können bei der Beschreibung dieser Personengruppe und bei der Benennung von Indikationen für UK-Leistungen hilfreich sein.

Who uses AAC counselling? Results of a retrospective study

Abstract:
Counselling people with complex communication needs is an elaborate and complex process. Up to now, there are no unified regulations in Germany on quality assurance, the care process and remuneration. Furthermore, there is hardly any quantitative data on the groups of people who use counselling on Augmentative and Alternative Communication (AAC). Which age groups are primarily seen in counselling? What life situation are people in? What medical diagnoses do appear? And what makes counselling and care for people with complex communication needs so complex? In two AAC counselling centres in North Rhine-Westphalia, the people who made use of diagnosis and counselling in AAC in 2019 and 2020 were recorded. For this purpose, the reports written by the counsellors were retrospectively analysed. The data obtained from n=308 reports can be helpful in describing this group of people and in naming indications for AAC services.

Dr. Barbara Giel
Uta Hellrung
Dr. Andrea Liehs
Carolin Garbe
Dr. Ilona Rubi-Fessen
Sina Schuchmann


Alina Rohde

Elektronische Kommunikationshilfen im häuslichen Umfeld – Herausforderungen und Bedarfe von Eltern unterstützt kommunizierender Kinder
Vorstellung und Einordnung der Ergebnisse einer qualitativen Interviewstudie zu Unterstützungsbedarfen von Eltern, deren Kind eine komplexe elektronische Kommunikationshilfe nutzt

Zusammenfassung
Der vorliegende Artikel beschreibt eine qualitative Studie, die die Bedarfe von Eltern fokussiert, deren Kind eine elektronische Kommunikationshilfe nutzt. Dazu wurden vier leitfadengestützte Interviews geführt und ausgewertet. Es zeigt sich die Notwendigkeit einer weiterführenden Begleitung nach der Versorgung mit dem elektronischen Hilfsmittel, da Eltern in der Alltagsbegleitung ihrer Kinder unterschiedlichsten Herausforderungen in Bezug auf Unterstützte Kommunikation begegnen. Das ermöglicht ihnen, förderliche Verhaltensweisen in der gemeinsamen Kommunikation zu berücksichtigen und es ermöglicht ihren Kindern einen Zugewinn an Selbstbestimmung und Teilhabe.

Presentation and classification of the results of a qualitative interview study on support needs of parents whose child uses a complex electronic communication aid

Abstract
This paper presents a qualitative study that focuses on the needs of parents whose child uses

an electronic communication aid. For this purpose, four guided interviews were conducted and analysed.
Results indicate the necessity of continual professional support after the provision of the electronic communication aid, as parents encounter different challenges in the everyday support of

their children in relation to AAC. This enables parents to consider beneficial behaviour in joint communication and their children a gain in self-determination and participation.

Alina Rohde
Alinarohde@mail.de

 

uk & forschung 11

Annika Lang, Eva Kunerl, Martina Schabert, Markus Witzmann, Reinhard Markowetz

Fachbeitrag: Beteiligung sprachlich eingeschränkter Menschen aus dem Autismus-Spektrum an dem Projekt „Entwicklung einer Autismus-Strategie Bayern“

Zusammenfassung
Das Projekt „Entwicklung einer Autismus-Strategie“ der Hochschule München zielte darauf ab, in einem breit angelegten Beteiligungsprozess Empfehlungen für die bayerische Staatsregierung zu formulieren. Eine der Fragestellungen des Projektes befasste sich damit, wie es gelingen kann, die Zielgruppe der Menschen aus dem Autismus-Spektrum mitß stark eingeschränkten sprachlichen und ggf. mit kognitiven Beeinträchtigungen an diesem Prozess zu beteiligen. Diese Teilfragestellung sollte dazu dienen, die Ergebnisse aus dem Hauptprojekt zu reflektieren und zu ergänzen. Hierzu wurde ein qualitatives Studiendesign konzipiert, in welchem Bezugspersonen von zu Befragenden geschult wurden, um halbstrukturierte Interviews durchzuführen. Es konnten dadurch insgesamt fünf Interviews ausgewertet werden, welche in die Ergebnisse des Gesamtprojektes einflossen. Mit den gewonnenen Erkenntnissen der Interviews konnten einzelne Empfehlungen für eine Autismus-Strategie angepasst und ergänzt werden. Dadurch konnte die Zielgruppe an der „Entwicklung einer Autismus- Strategie Bayern“ beteiligt werden. Mit dem Artikel wird zum einen das forschungsmethodische Vorgehen beschrieben und diskutiert, das gewählt wurde, um Menschen mit Autismus, die nicht oder wenig sprechen, an der Entwicklung von Empfehlungen für die Autismus-Strategie Bayern zu beteiligen. Zum anderen werden die Ergebnisse der in diesem Rahmen durchgeführten Befragung vorgestellt.

Including people with severely limited speech or no speech from the autism spectrum in the project „Development of an Autism Strategy Bavaria“

Abstract
The project „Development of an Autism Strategy“ at the Munich University of Applied Sciences aimed to formulate recommendations for the Bavarian state government in a broad-based participation process. One of the questions of the project was how to enable the target group of people on the autism spectrum with severely limited speech and perhaps cognitive impairments to participate in this process. This sub-question was intended to reflect and complement the results from the main project. For this purpose, a qualitative study design was conceived in which caregivers were trained to conduct semi-structured interviews with the target group. In this way, a total of five interviews could be analysed, which were included in the results of the overall project. With the insights gained from the interviews, individual recommendations for an autism strategy could be adapted and supplemented. This made it possible to involve the target group in the „development of an autism strategy for Bavaria“. This article describes and discusses the methodological approach to involve people with autism and severely limited speech in the development of recommendations on the autism strategy Bavaria. It further presents the results of the therewith conducted interviews.

Annika Lang
Ludwig-Maximilians-Universität München
annika.lang@edu.lmu.de

Eva Kunerl
Ludwig-Maximilians-Universität München
Eva.kunerl@edu.lmu.de

Martina Schabert
Autismuskompetenzzentrum Oberbayern gGmbH
martina.schabert@autkom-obb.de

Markus Witzmann
Hochschule für angewandte Wissenschaften
markus.witzmann@hm.edu

Reinhard Markowetz
Ludwig-Maximilians-Universität München
markowetz@lmu.de


Liane Bächler

Fachbeitrag: Teilhabe durch Assistive Technologien
Eine Betrachtung aus sozialpolitischer inklusions- und anerkennungstheoretischer Sicht

Zusammenfassung
Eine umfassende Realisierung gesellschaftlicher Teilhabe für alle Individuen der Bevölkerung stellt sich als spezifische Herausforderung dar. Trotz normativer Bezugspunkte durch sozialpolitische Neuerungen sind davon insbesondere behinderte Menschen betroffen und von vielen Domänen des sozialen Zusammenlebens ausgeschlossen. Hinsichtlich der Umsetzung im Sinne einer gesellschaftlichen Zugehörigkeit durch die Teilhabe im schulischen sowie außerschulischen Kontext gilt es, Gestaltungsoptionen für eine Förderung der Teilhabe umfassend zu beleuchten. Der vorliegende Beitrag dient der Betrachtung hinsichtlich eines Einsatzes Assistiver Technologien für behinderte Menschen aus sozialpolitischer sowie inklusions- und anerkennungstheoretischer Sicht. Dadurch erhält der Gegenstand „Assistive Technologien für behinderte Menschen“ eine theoretische Rahmung, legitimatorische Bedeutung und zugleich eine wichtige wissenschaftliche Perspektive, die die Bedeutung der Entwicklung, Implementierung und Evaluierung Assistiver Technologien hinsichtlich der Entwicklung und Entfaltung individueller Potentiale sowie die umfassende gesellschaftliche Teilhabe behinderter Menschen hervorhebt.

Participation by Assistive Technologies
A consideration from a socio-political, inclusionary and recognition theory point of view

Abstract:
The comprehensive realization of social participation for all individuals is a particular challenge. In spite of normative reference points through socio-political innovations, disabled people in particular are affected by this and excluded from many domains of social coexistence. With regard to the implementation in the sense of social belonging through participation in the school and extracurricular context, it is necessary to comprehensively illuminate design options for opening up the promotion of their participation. The present contribution serves the consideration with regard to an application of Assistive Technologies for disabled people from a socio-political as well from an inclusionary and recognition theoretical point of view. This contextual view gives the subject of „Assistive Technologies for Disabled People“ a theoretical framing, legitimizing meaning, and at the same time an important scientific perspective that highlights the importance of the development, implementation, and evaluation of Assistive Technologies. This is with particular regard to the development and unfolding of individual potentials as well as the comprehensive social participation of disabled people.

Dr. Liane Bächler
Universität zu Köln
liane.baechler@uni-koeln.de


Karolin Schäfer, Jens Boenisch

Brain-Computer Interfaces (BCI) in der Unterstützten Kommunikation (UK) Ist der Einsatz noch Wunsch oder schon Wirklichkeit?
Ergebnisse einer qualitativen
Studie mit UK-Nutzenden

Zusammenfassung

In der vorliegenden Untersuchung wurden n=10 erwachsene, unterstützt kommunizierende Personen, die von unterschiedlichen cerebralen und neurodegenerativen Beeinträchtigungen betroffen sind, für 1-3 Termine mit einer mittels Steady State Visual Evoked Potentials (SSVEP) BCI-gesteuerten Kommunikationshilfe ausgestattet. Während der etwa 60-minütigen Erprobungen wurden Feldnotizen angefertigt, in denen Aspekte wie die Vorbereitungszeit der Systeme sowie weitere Beobachtungen erfasst wurden. Im Anschluss an die Erprobungsphasen wurden die unterstützt kommunizierenden Personen in Fokusgruppeninterviews zu ihren Erfahrungen mit der BCI-Kommunikationshilfe befragt. Als Kontrollgruppe dienten n=5 erwachsene Personen ohne Beeinträchtigung, die die BCI-Hilfsmittel ebenfalls erprobten. Die Ergebnisse zeigen, dass SSVEP-BCI Systeme durchaus große Potentiale für den Einsatz als Kommunikationshilfen bieten. Die Bedienung ist jedoch für Menschen mit Beeinträchtigungen noch ausgesprochen schwierig und wurde von allen teilnehmenden Personen als herausfordernd und anstrengend beschrieben. Die unterstützt kommunizierenden Personen konnten die Hilfsmittel weniger zuverlässig ansteuern als die nicht-beeinträchtigten Personen. Es besteht daher ein weiterführender Forschungsbedarf im Bereich BCI-gesteuerter Hilfen speziell für Menschen mit Beeinträchtigung, bevor die Geräte flächendeckend in der Praxis Anwendung finden können.

Brain-Computer Interfaces (BCI) in Augmented and Alternative Communication (AAC) Is their use still a wish or already a reality?
Results of a qualitative study with AAC users

Abstract
In this study, n=10 adult AAC users who are affected by various cerebral and neurodegenerative diseases were provided with a Steady State Visual Evoked Potentials (SSVEP) BCI-controlled communication device for 1-3 trials. Field notes were taken during the approximately 60-minute trials, recording aspects such as system preparation time and other observations. Following the trial phases, the AAC users were interviewed in focus groups about their experiences with the BCI communication device. The control group consisted of n=5 adults without impairments who also tested the BCI- devices. The results indicate that SSVEP-BCI systems certainly offer great potential for the use as communication devices. Nevertheless, they are still extremely difficult to control for people with impairments. Using the systems was described as challenging and exhausting by all participating persons. The AAC users were less able to reliably control the devices than the people without impairments. We conclude that there is a need for further research in the field of BCI-controlled communication devices, especially for people with impairments, before BCI can be widely used in practice. Birgit Dabringhausen Amt für Jugend, Familie und Senioren des Magistrats der Stadt Fulda

Prof. Dr. Karolin Schäfer
Universität zu Köln
karolin.schaefer@uni-koeln.de

Prof. Dr. Jens Boenisch
Universität zu Köln
Jens.boenisch@uni-koeln.de

 

uk & forschung 10

Stefanie K. Sachse

Stufenmodelle des Schriftspracherwerbs und ein Emergent Literacy-Modell Orientierungshilfen für den Deutschunterricht mit Kindern und Jugendlichen mit komplexen Kommunikationsbeeinträchtigungen

Zusammenfassung
Im Beitrag werden Schriftspracherwerbsmodelle als Reflexionsgrundlage für den Deutschunterricht mit Kindern und Jugendlichen mit UK-Bedarf betrachtet. Verschiedene Schriftspracherwerbsmodelle und verschiedene Aspekte des Schrift(sprach)erwerbs finden Berücksichtigung – insbesondere das Emergent Literacy-Modell von Teale & Sulzby (1986), das unterstreicht, dass sich die Fähigkeitsbereiche zu sprechen (bzw. unterstützt zu kommunizieren), zu verstehen, zu lesen und zu schreiben gleichzeitig entwickeln und gegenseitig beeinflussen. In der Konsequenz steht Schrift von Anfang an selbstverständlich und für Alle im Fokus und das Umfeld ist gefordert, bedeutungsvolle Angebote zu unterbreiten. Es werden Grundprinzipien des Deutschunterrichts mit unterstützt kommunizierenden SchülerInnen formuliert und Hinweise zur praktischen Umsetzung gegeben, wobei die speziellen Herausforderungen, die sich beim Lesen- und Schreibenlernen mit stark eingeschränkter Lautsprache ergeben können, umfassend berücksichtigt werden.

Stage Models of the Reading and Writing Development and a Model of Emergent Literacy Guidance on Literacy Instruction for Students with Complex Communication Needs

Abstract
Literacy Instruction for Students with Complex Communication Needs is required to address a variety of needs and challenges. The article provides a closer look at the stage models of reading and writing development as well as the Emergent Literacy model from Teale and Sulzy and the adaptation for students who use Augmentative and Alternative Communication. How can these models inform literacy instruction? Detailed information is given on special challenges for these students (like blending sounds during early reading development); a theoretical framework based on the models is provided as well as examples for comprehensive instruction to support all students to develop literacy skills.

Stefanie K. Sachse
Universität zu Köln
E-Mail: stefanie.sachse@uni-koeln.de


Susanne Mischo

Talking Mats als Methode mit Potential zur partizipativen Forschung

Zusammenfassung:
Partizipative Forschung wird seit den 2010er Jahren in Deutschland zunehmend für Menschen mit geistiger Behinderung thematisiert, wodurch die Personengruppe nicht nur als InterviewpartnerInnen wahrgenommen, sondern als Co-Forschende in alle Schritte des Forschungsprozesses miteinbezogen wird. Menschen mit geistiger Behinderung und UK-Bedarf werden dabei noch nicht differenziert in den Blick genommen, zunehmend aber als InterviewpartnerInnen im Kontext von qualitativer und quantitativer Forschung erkannt. Dabei kommt der Methode Talking Mats besondere Beachtung zu. Jedoch liegt bisher keine systematische Verknüpfung der Methode Talking Mats mit forschungsmethodischen Grundlagen zur qualitativen (und quantitativen) Interviewführung vor. An diese Ausgangslage anschließend wird zunächst die Methode Talking Mats als mögliche Interviewmethode mit Menschen mit geistiger Behinderung und UK- Bedarf im Rahmen qualitativer Forschung schrittweise begründet und erweitert. In einem weiterführenden Schritt wird die Methode in ihrem Potential für partizipative Forschung diskutiert. Hierbei wird aufgezeigt, dass mittels der Methode Talking Mats auch Leitfadeninterviews durch Menschen mit geistiger Behinderung und UK- Bedarf geführt und entsprechende Leitfäden dafür partizipativ entwickelt werden können. So können diese einerseits die Rolle als Forschungssubjekt, weiterführend aber auch die Rolle als Co- Forschende im Kontext partizipativer Forschung einnehmen.

Talking Mats as a method with potential for participatory research

Abstract:
Since the 2010s, participatory research has increasingly been addressed to people with intellectual disabilities in Germany, whereby the group of people is not only perceived as interview partners, but is included in all steps of the research process as co-researchers. People with intellectual disabilities and AAC-needs are not yet being considered in a differentiated way. Rather, the group of people is increasingly recognized as interview partners in the context of qualitative and quantitative research. The Talking Mats method receives special attention. However, up to now there is no systematic combination of the Talking Mats method with research methodological principles for qualitative (and quantitative) interviewing. Following on from this starting point, the Talking Mats method will first be gradually established and expanded as a possible interview method with people with intellectual disabilities and AAC-needs within the framework of qualitative research. In a further step the method will be discussed in its potential for participatory research. It will be shown that the Talking Mats method can also be used to conduct guided interviews with people with intellectual disabilities and AAC-needs, and that corresponding guidelines can be developed in a participatory way. In this way, people with intellectual disabilities and AAC-needs can take on the role of research subjects in the context of participatory research in a first step.

Dr. Susanne Mischo
Universität zu Köln
E-Mail: smischo@uni-koeln.de


Birgit Dabringhausen

Dialoggestaltung im Kontext der Unterstützten Kommunikation
Begünstigende Verhaltensweisen zu gelingender Gesprächsgestaltung zwischen unterstützt kommunizierenden und lautsprechenden Menschen

Zusammenfassung
In jedem Moment, in welchem Menschen miteinander kommunizieren, beeinflussen und steuern sie sich gegenseitig (vgl. Rödel, 2016). Dabei nehmen unterschiedliche Faktoren Einfluss auf den Kommunikationsverlauf. Ziel dieser Studie war die Ermittlung förderlichen Unterstützungsverhaltens zu „gelingender“ Gestaltung von Dialogen im Bereich der Unterstützten Kommunikation (UK). Um neue Erkenntnisse zum Themenkomplex hilfreicher und hinderlicher Verhaltensweisen der Gesprächsbeteiligten zu gewinnen, wurde die Methode der quantitativen und qualitativen Befragung genutzt. Sowohl geschlossene Fragen mit vorgegebenen Antwortkategorien in Form von Ratingskalen als auch offene Fragen sollten die Erfahrungen und subjektiven Einschätzungen der befragten UK- Nutzenden (N=13) und der lautsprechenden Bezugspersonen (N=55) zu möglichen Einflussfaktoren auf die Gesprächsgestaltung näher beleuchten und miteinander vergleichen. Die Ergebnisse der Studie weisen auf strategische und unterstützende Verhaltensweisen von Bezugspersonen und unterstützt sprechenden GesprächspartnerInnen hin. Sie können als Denkanstöße und praktische Hinweisefür die Dialoggestaltung zwischen lautsprechenden und unterstützt kommunizierenden Menschen genutzt werden, die vermutlich den Fluss der Kommunikation fördern und zur Verbesserung der Gesprächssituation zwischen den benannten Personengruppen führen.

Dialogue design in the context of Augmentative and Alternative Communication (AAC) Favourable behaviours for successful conversation among people who use AAC and those who speak in the vocal manner

Abstract
In every moment in which people communicate with each other, they influence and control each other (see Rödel, 2016). Different factors influence the course of communication. The aim of this study was to identify supportive behaviours for „successful“ AAC dialogue de- sign. The method of quantitative and qualitative questioning was used to gain new insights into the complexities of helpful and obstructive behaviours of those involved in the conversation. Both closed questions with predefined answer categories in the form of rating scales and open questions were used to examine and compare the experiences and subjective assessments of the interviewed AAC users (N=13) and the dialogue partners using spoken language (N=55) regarding possible influencing factors on the design of the conversation. The results of the study point to strategic and supportive behaviours of dialogue partners and AAC users. They can be used as food for thought and practical advice for the dialogue between people using spoken language and people using AAC, because they are likely to promote the flow of communication and lead to an improvement in the conversational situation between the groups of people named.

Birgit Dabringhausen
Amt für Jugend, Familie und Senioren des Magistrats der Stadt Fulda
E-Mail: birgit.dabringhausen@gmx.de


Ronja Kaupp und Markus Scholz

Das Tablet in der Anwendung als digitales Sprachausgabegerät
Zwei Einzelfallstudien zur kommunikativen Nutzung an einer Schule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung

Zusammenfassung
Tablets als digitale Sprachausgabegeräte haben sich im Bereich der Unterstützten Kommunikation etabliert, zu ihrer konkreten Nutzung in schulischen Alltagssituationen liegen jedoch nur wenige Informationen vor. Ziel der vorgestellten explorativen Studie ist es, die Nutzung eines Tablets in

dieser Funktion an einer Schule mit dem Förderschwerpunkt geistige Entwicklung zur Kommunikation zu beleuchten. Hierzu werden die Kommunikationssituationen von zwei unterstützt kommunizierenden SchülerInnen mittels eines vorstrukturierten Beobachtungsbogens in nicht-teilnehmender Beobachtung untersucht. Erfasst wurden die Kommunikationsfunktionen, die KommunikationspartnerInnen mit Unterscheidung von initiativer und reaktiver Kommunikation sowie die Kommunikationsinhalte. Von 13 festgelegten Kommunikationsfunktionen konnten 12 in der Anwendung mit dem Tablet in insgesamt 248 Kommunikationssituationen beobachtet werden. Das Benennen von Personen, Handlungen und Gegenständen galt als häufigste kommunikative Absicht. Die Ergebnisse zeigen personenübergreifend ein eher reaktives und wenig flexibles Nutzungsverhalten. Am häufigsten wurde mit Begleitpersonen kommuniziert, während mit Lehrkräften und MitschülerInnen nur sehr wenige Kommunikationsereignisse verzeichnet werden konnten.

Is the tablet a real communication aid?
Two single case studies on communicative usage of pupils with intellectual and developmental disabilities

Abstract
Tablets are established speech generating communication devices in Alternative and Augmentative Communication, but there is only little information about their application in daily school environments. The main goal of the presented explorative study is to analyze the usage of tablets for communication in a school for children with intellectual and developmental disabilities. Therefore, communicative situations of two pupils are analyzed using a non-participant observation with a pre-structured observation sheet. Communicative functions, communication partners with differentiation of initiative and reactive communication and the communicative content were observed. Twelve out of 13 communicative functions could be documented in 248 communicative situations with the tablet. Mostly the naming of persons, actions and objects was observed. Results in general show a reactive communication style with partly lacking flexibility. Most communication took place with individual assistants, while communication with teachers and class- or schoolmates was seldom.

Ronja Kaupp
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
ronja.kaupp@stud.ph-ludwigsburg.de

Prof. Dr. Markus Scholz
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
markus.scholz@ph-ludwigsburg.de

 

uk & forschung 9

Leevke Wilkens

„The most important voices are often the hardest to hear”
Einflüsse auf die standardisierte Interviewführung mit nicht oder wenig sprechenden Menschen

Zusammenfassung
Die Befragung von Menschen mit Bedarf an Unterstützter Kommunikation (UK) stellt aufgrund der häufigen sprachlichen Gebundenheit der Methoden eine besondere forschungsmethodische Herausforderung dar. Ausgehend von der Prämisse, dass standardisierte Interviews eine Form der sozialen Interaktion zwischen GesprächspartnerInnen sind, werden sieben Interviews mittels Konversationsanalyse untersucht. Ziel dieser Untersuchung ist die Identifikation von Einflüssen auf die standardisierte Interviewführung, welche sich in vier Kategorien systematisieren lassen: Einflüsse durch InterviewerIn, ProbandIn, Rahmenbedingungen und Erhebungsinstrument. Einen wesentlichen Einfluss auf das Gelingen von Interviews haben InterviewerInnen, woraus sich Anforderungen an Schulungen für Interviewende ableiten lassen, die sich zum einen auf die Regeln standardisierter Befragung und zum anderen auf die Rolle der InterviewerInnen als GesprächspartnerInnen beziehen. Die Identifikation dieser Einflüsse kann für weitere methodische Fragen im Forschungsfeld der UK nutzbar gemacht werden, entweder durch die aktive Bearbeitung dieser Einflussfaktoren in Interviews oder durch weitere systematische Forschung in diesem Bereich.

“The most important voices are often the hardest to hear“ Influencing Factors on Standardized Interviews

Abstract
The aim of the study is to identify current needs for assistive technology and augmentative and alternative communication in schools for special needs in North-Rhine-Westphalia. This also includes recording the assistive technology used in schools and the challenges and barriers that arise in everyday school life. By means of a questionnaire survey, in which 114 schools participated, 4,027 students were collected. The total percentage of students in need of AAC was reported, by the schools that provided data on this question, to be 31,6% for students with intellectual disabilities and 32,9% for students with physical and motor disabilities. The collected data illustrate a broad spectrum of current aids in schools. The interviewed teachers name lack of personal and time resources as well as differentiated training needs as barriers and challenges for the use and promotion of AT and AAC at schools.

Leevke Wilkens
TU Dortmund
leevke.wilkens@tu-dortmund.de


Susanne Mischo

Partizipation und Verantwortung im Kontext Unterstützter Kommunikation

Zusammenfassung
Gesellschaftliche Partizipation als internationale Leitidee prägt seit zwei Jahrzehnten pädagogisches Handeln in vielfältigen Lebensbereichen. Mit der UN-Konvention über die Rechte von Menschen mit Behinderungen (UN-CRPD), dem Bundesteilhabegesetz (BTHG) und auch in der Internationalen Klassifikation der Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit (ICF) wird Partizipation ins Zentrum zur Beurteilung von Behinderung gestellt. In der Unterstützten Kommunikation (UK) wurde Partizipation mit dem Partizipationsmodell von Beukelman und Mirenda bereits im Jahr 1988 als handlungsleitend bestimmt (Beukelman & Mirenda, 2013). Ebenso werden gesamtgesellschaftlich zunehmend autonome und damit selbstverantwortlich handelnden Individuen gefordert. Diese Entwicklungen bergen sowohl Freiheiten als auch Ansprüche (Dederich,
2008). Dabei steht nicht nur das Subjekt vor (neuen) Anforderungen, die volle und wirksame Partizipation zeigt sich vielmehr abhängig von vielfältigen Einflussfaktoren auf unterschiedlichen Ebenen. Die Konkretisierung und Reflexion derselben ist umso dringlicher, je mehr das
Leben einer Person von den Handlungspraktiken des Gegenübers und von den strukturellen Gegebenheiten seiner Lebensumwelt bestimmt ist, wie dies für erwachsene Menschen

Participation and responsibility in the context of AAC

Abstract
Participation in society as an international guiding principle has been shaping pedagogical action in many areas of life for two decades. The UN Convention on the Rights of Persons with Disabilities (UN CRPD), the Federal Participation Act (BTHG) and the International Classification of Functioning, Disability and Health (ICF) place participation at the centre of disability assessment. Within the field of Augmentative and Alternative Communication (AAC), participation as guiding action was already defined in 1988 with the participation model of Beukelman and Mirenda (2013). In the meantime, society is also demanding increasingly autonomous individuals who act responsibly. These developments hold both freedoms and claims (Dederich, 2008). It is not only the subject that faces (new) challenges, but full and effective participation is rather dependent on a variety of influencing factors at different levels. The more a person’s life is determined by his counterpart’s practices and thestructural conditions of his living environment, the more urgent it becomes to concretize and reflect on these, as is the case for adults with intellectual disabilities and AAC-needs, living in residential living facilities. The above-mentioned writings and models emphasize the importance of participation but sketch only single facets in the concrete practice of it. In the present article, participation is first defined as a construct, in order to transfer the situation of adults with intellectual disabilities and AAC- needs in residential living facilities and their participation in activities in social space to life. Based on the results of a comparative case study (Mischo, 2018), the aspect of responsibility as a transversal phenomenon of participation is finally discussed.

Dr. Susanne Mischo
Universität zu Köln

E-Mail: smischo@uni-koeln.de


Monika Ruffert, Karolin Schäfer und Alexander Röhler

Was passiert bei der Implementierung von Lautsprachunterstützenden Gebärden (LUG) in einer Wohngruppe für erwachsene Menschen mit geistiger Behinderung?
Ergebnisse einer explorativen Fallstudie

Zusammenfassung
Hintergrund: Die flächendeckende Implementierung von Maßnahmen der Unterstützten Kommunikation (UK) in größeren Wohneinrichtungen kann herausfordernd sein. In der vorliegenden Untersuchung wurden Effekte untersucht, die beim Einsatz von UK in einer Wohngruppe mit n=10 BewohnerInnen (Menschen mit geistiger Behinderung) und n=11 MitarbeiterInnen auftreten, um Gelingensbedingungen zu identifizieren. Methode: Aufgrund ihrer schnellen Verfügbarkeit und ihres einfachen Einsatzes wurden Lautsprachunterstützende Gebärden (LUG) als Kommunikationsform ausgewählt. Mittels Kontrollfragen an die MitarbeiterInnen vor und nach der Untersuchung, teilnehmender Beobachtung in der Wohngruppe und einer abschließenden Gruppendiskussion wurden Daten zur Nutzung von LUG erhoben und miteinander verglichen. Ergebnisse: Zwischen den Kontrollfragen, Beobachtungen und der Gruppendiskussion ergeben sich Widersprüche, die vermutlich mit dem Erkennen der Bedeutung von UK seitens der MitarbeiterInnen und der im Alltag erlebten
Hürden bei der Nutzung zusammenhängen. Die MitarbeiterInnen sind motiviert, die Gebärden einzusetzen, wenn diese gleichzeitig auch von den BewohnerInnen genutzt werden. Bei fehlender Antwort in derselben Modalität sinkt die Bereitschaft der Anwendung bei den Mitarbeiterinnen, obwohl Fortschritte bei den BewohnerInnen
auf verschiedenen Ebenen beobachtet werden können. Es erscheint wichtig, die positiven Effekte des Einsatzes von LUG für die MitarbeiterInnen und weitere Bezugspersonen sichtbar zu machen.

What happens when key word signing (KWS) is implemented in a residential group home for adults with an intellectual disability?
Results of an explorative case study

Abstract
Background: The implementation of Augmentative and Alternative Communication (AAC)- methods in residential facilities can be challenging. The present study examines the effects of using AAC in a residential group home with n=10 residents (adults with an intellectual disability) and n=11 employees to identify supportive conditions. Methods: Due to their quick availability and ease of use, key word signing (KWS) was selected as communication form. Data on the use of KWS was collected and compared by means of control questions to the employees prior to and after the investigation, participating observation in the residential group home and a concluding group discussion. Results: There are contradictions between the control questions, observations and the group discussion, which are presumably related to the recognition of the importance of AAC and the barriers experienced in everyday use by the employees. The employees are motivated to use KWS if it is also used by the residents at the same time. If there is no answer in the same modality, the willingness of the employees to use KWS decreases, although progress can be observed among the residents at different levels. It seems important to make the effects of KWS visible to employees and other reference persons.

Monika Ruffert
Fachdienst Unterstützte Kommunikation und Autismus, Köln
m.ruffert@diakonie-michaelshoven.de

Prof. Dr. Karolin Schäfer
Universität zu Köln
Karolin.schaefer@uni-koeln.de

Dr. Alexander Röhler
Alanus Hochschule für Kunst und Gesellschaft, Alfter
alexander.roehler@alanus.edu

 

uk & forschung 8

Barbara Giel, Andrea Liehs, Paula Preißler, Henrike Urbic

Qualitätssicherung in der UK Beratung durch Moderierte Runde Tische (MoRTi)
Fragebogenerhebungen belegen die Wirkfaktoren von Runden Tischen

Zusammenfassung

Die Beratung zur Ermittlung des Bedarfs an Unterstützter Kommunikation (UK) stellt eine hohe fachliche, zeitliche und kommunikative Herausforderung dar. Ist sie einerseits durch eine fundierte Diagnostik gekennzeichnet, muss sie andererseits den aktuellen Stand der theoretischen, methodischen und technischen Erkenntnis im Bereich von Unterstützter Kommunikation widerspiegeln. „Ratsuchende“ und die dazu gehörigen Systeme haben einen Anspruch auf eine neutrale Beratung, bei der im Fokus zwar der Mensch mit nicht ausreichender Lautsprache steht, sein Kommunikationssystem jedoch ebenfalls eine zentrale Rolle einnimmt, da die KommunikationspartnerInnen ihr eigenes Kommunikationsverhalten meist deutlich verändern müssen, um gelingende Kommunikation mit unterstützenden oder ersetzenden Maßnahmen zu ermöglichen.

Die AOK Rheinland/Hamburg hat zur Sicherung der Versorgungsqualität von Menschen mit nicht ausreichender Kommunikation im Rheinland zwei UK-Beratungsstellen akkreditiert, um den oben genannten Anspruch für ihre Versicherten sicherzustellen. Neben dem FBZ-UK an der Universität zu Köln wurde das Zentrum für Unterstützte Kommunikation in Moers (ZUK) damit beauftragt, eine firmenunabhängige Diagnostik und Beratung zum Bedarf an Unterstützter Kommunikation durchzuführen. Einen besonderen und qualitätssichernden Aspekt stellt dabei das vom ZUK entwickelte und praktizierte Konzept der „Moderierten Runden Tische“ (MoRTi) dar.

Anhand aktueller Forschungsergebnisse wird im Folgenden die Bedeutsamkeit des MoRTi-Konzeptes für eine erfolgreiche und nachhaltige UK-Versorgung aufgezeigt. Dabei wird ersichtlich, dass die Wirksamkeit moderierter Runder Tische in verschiedenen Kontexten belegt und von Angehörigen, Umfeld und Betroffenen als entscheidender Faktor in der UK-Versorgung gesehen. werden kann.

Quality assurance in the AAC Consultation through moderated round tables (MoRTi)
Questionnaire sur-veys prove the impact of moderated round tables

Abstract

The consultative diagnosis to identify the need for augmentative and alternative communication (AAC) represents a professional, time-consuming and communicative challenge. On the one hand, in order to be characterized as well-founded diagnostics, it must reflect the current state of theoretical, methodological and technical knowledge in the field of aided communication. The "person seeking advice" and the associ-ated system are therefore entitled to a neutral consultation, where the focus is on the patient with insuffi-cient spoken language. However, his/her communication system also plays a central role, since the com-munication partners usually have to change their own communication behavior significantly in order to facilitate successful communication with supporting or substituting measures.

The AOK Rheinland/ Hamburg has accredited two AAC counseling centers to ensure the quality of care for people with a need for AAC in the Rhineland (Germany) in order to guarantee the above-mentioned claim for their insured persons. In addition to the FBZ-UK at the University of Cologne, the Center for Augment-ative and Alternative Communication in Moers (ZUK) is commissioned to carry out company-independent diagnostics and advice on the need for aided communication.

A special and quality-securing aspect is the concept of the "Moderated Round Tables", or MoRTi, devel-oped and practiced by the ZUK. This article presents latest research results that underline the significance of the MoRTi concept for a successful and enduring AAC supply. It shows that the effectiveness of moder-ated Round Tables can be demonstrated in different contexts and is seen by relatives, the environment and affected persons as a key factor in AAC care.

Dr. Barbara Giel
Dr. Andrea Liehs
Zentrum für Unterstützte Kommunikation Moers
info@zentrum-fuer-uk.de


Markus Scholz, Michael Wagner, Moritz Negwer

Kompetenzen und Unterstützungsbedürfnisse im Bereich Kommunikation und Sprache von Schülerinnen und Schülern im Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung
Eine Vollerhebung der Schülerschaft in Rheinland-Pfalz

Zusammenfassung

Im deutschsprachigen Raum liegen nur vereinzelt Informationen über die Kompetenzen im Bereich Sprache und Kommunikation von SchülerInnen mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung vor. Die vorgestellte Studie versucht diese Forschungslücke für das Land Rheinland-Pfalz zu schließen. Mit Hilfe einer Fragebogenerhebung bei Lehrkräften an allen Schulen mit dem Förderschwerpunkt körperliche und motorische Entwicklung in diesem Bundesland (N=22) wurden Informationen über N=1031 SchülerInnen eingeholt. Die Ergebnisse zeigen einen insgesamt hohen Bedarf an Maßnahmen der Unterstützten Kommunikation. Der größte Teil der SchülerInnen verfügt zwar über Lautsprache (64,2 %) und nutzt diese auch als hauptsächliche Kommunikationsform (57,7 %), die Zahl nichtsprechender Kinder und Jugendlicher ist jedoch im Vergleich zu einer vorliegenden gesamtdeutschen Studie von Boenisch (2009) relativ hoch (35,8 %). Innerhalb der Ergebnisse ist zudem der beträchtliche Anteil (28,2 %) an SchülerInnen, die nach Einschätzung ihrer Lehrkräfte mit Hilfe der von ihnen bevorzugten Äußerungsform keine eindeutigen Aussagen machen können, auffällig.

Competencies and needs in communication and speech of pupils with needs in physical and motoric development
A survey in Rhineland-Palatinate

Abstract

There are only few studies about the competencies of pupils with needs in physical and motoric development concerning speech and communication in the German speaking area. The described survey tries to close this gap for the state of Rhineland-Palatinate. Teachers of all schools for motoric development within the state (N=22) were asked to fill out a questionnaire for every pupil. All in all data of N=1.031 pupils could be collected. Results show a high need for methods of Augmentative and Alternative Communication. Although most pupils are able to speak (64.2 %) and use speech as their main form of communication (57.7 %), the amount of non-speaking children is relatively high (35.8) compared to a pan-German study conducted by Boenisch (2009). Also noticeable is a considerable part of pupils (28.2 %), who in the view of their teachers are not able to express themselves unambiguously in their preferred communicative form.

Dr. Markus Scholz
Pädagogische Hochschule Ludwigsburg
markus.scholz@ph-ludwigsburg.de

Prof. Dr. Michael Wagner
Moritz Negwer
Universität Koblenz-Landau
wagnerm@uni-landau.de
negwer@uni-landau.de


Alisa Rudolph

Der Einfluss von lautsprachunterstützenden Gebärden auf das Sprachverständnis von Kindern mit Intelligenzminderung – eine explorative Untersuchung

Zusammenfassung

Das Ziel dieser Studie war, den Einfluss von lautsprachunterstützenden Gebärden des Kommunikationspartners auf das Sprachverständnis von Kindern mit Intelligenzminderung im Vergleich zur Sprachverständnisleistung bei rein lautsprachlicher Kommunikation zu erfassen.  

Es wurden 41 Probanden zwischen 4;0 und 10;0 Jahren mit einer Intelligenzminderung im IQ-Bereich 40 bis 85 anhand von 56 Items standardisierter Sprachverständnistests mit Bildauswahlverfahren untersucht.

Anhand der Berechnung mit gepaarten T-Tests zeigte sich für das gesamte Verfahren eine signifikant positive Veränderung der Sprachverständnisleistung beim Einsatz der Gebärden, genauso wie beim Wortverständnis besonders von Nomen und Fragepronomen und beim Verstehen von zwei Informationen im Satz. Erklärt werden kann dies damit, dass lautsprachunterstützende Gebärden als semantische Unterstützung bei ikonischen Gebärden, als Merkhilfe im Satz, aber auch als Aufmerksamkeitssteuerung bei arbiträren Gebärden dienen.

Influence of signing gestures on the language comprehension of children with intellectual disabilities – an explorative investigation

Abstract

The goal of this study was to measure the influence of speech-plus-signs from the communication partner on the receptive language in children with intellectual disabilities compared to a purely oral communication approach, without performing signing gestures.

Forty-one children, ages four to ten, with intellectual disability in the IQ range of 40 to 85 were investigated. The results for the whole procedure showed a significantly positive change in the language comprehension with gestures. This can be explained in such a way that gestures can be a memorization aid, iconic gestures help as a semantic support and arbitrary gestures direct the attention focus of the child without an image.

Alisa Rudolph
Ludwig-Maximilian-Universität München
Alisa.Rudolph.Sprachtherapie@gmail.com

 

uk & forschung 7

Birgit Appelbaum, Karolin Schäfer, Ursula Braun

Gebärden in der Unterstützten Kommunikation (UK) – eine Bestandsaufnahme und mögliche Perspektiven für die Forschung

Zusammenfassung

Die Nutzung von Gebärden als körpereigene Kommunikationsform kann in der Unterstützten Kommunikation mittlerweile als etabliert gelten. Gebärden sind schnell verfügbar, einfach umzusetzen und Material ist in ausreichender Form vorhanden - speziell für die Zielgruppe unterstützt kommunizierender Kinder. Gebärden in der UK stellen für viele Kinder eine mögliche Brücke zur Lautsprache dar und können auch schrittweise wieder abgebaut werden, wenn die Lautsprachentwicklung voranschreitet. Mittlerweile werden Gebärden auch von Fachdisziplinen wie der klassischen Sprachtherapie und der allgemeinen Sprachförderung von nicht- bzw. wenig sprechenden Kindern mit verschiedenen kommunikativen und sprachlichen Fähigkeiten aufgegriffen.

Gebärden in der UK sind weitgehend in der Praxis entstanden und von Praktikern auf die Zielgruppe hörender Kinder mit Einschränkungen der Lautsprache übertragen worden. Dadurch erklärt sich die Entstehung von zahlreichen Gebärdensammlungen und einigen wenigen Konzepten im Umgang mit Gebärden für den Bereich der Unterstützten Kommunikation.

Die Erfolge des Einsatzes von Gebärden in der Praxis sprechen für sich - doch nicht alle Personen mit UK-Bedarf finden mit Gebärden in die lautsprachliche Kommunikation. Ganz nebenbei und von der Forschung fast unbemerkt haben sich Gebärden für einen beachtlichen Teil an unterstützt kommunizierenden Personen als lebenslange Kommunikationsform etabliert. Dies wirft völlig neue Fragen auf, die zum Teil in einigen ausgewählten Veröffentlichungen schon aufgegriffen wurden und einen weiterführenden Forschungsbedarf in der UK im Umgang mit Gebärden zeigen. Der vorliegende Artikel bündelt die Erkenntnisse über den Einsatz von Gebärden in der UK und formuliert Perspektiven für zukünftige Forschungsvorhaben.

Using signs in unaided Augmented and Alternative Communication (AAC) – current status and research perspectives

Abstract

Using signs in unaided AAC has become commonly accepted in Germany. Signs are quickly applicable, easy to implement and there is a lot of material available – especially for children with AAC needs using signs. Furthermore, signs can build a bridge to speech, while their use may even be reduced gradually as the development of language skills in children progresses. Meanwhile signs have also been adopted by other disciplines, e.g. speech and language therapy in order to support children with different communicative and language skills.

Signs in AAC were developed extensively by practitioners and have been transferred to the target group of hearing children with AAC needs. This might explain the existence of numerous sign collections and a few concepts in dealing with signs in unaided AAC.

The success of sign use in AAC speaks for itself – but not every person is learning to speak while using signs. Almost unnoticed by research, signs have become an alternative communication form that is used over some people’s whole lifespan. This raises some entirely new questions that need to be investigated within the field of unaided AAC. The present article summarizes the current findings about the use of signs in AAC and offers perspectives for future research.

Birgit Appelbaum
Universität zu Köln
birgit.appelbaum@cityweb.de

Jun.-Prof. Dr. Karolin Schäfer
Universität zu Köln
karolin.schaefer@uni-koeln.de

Dr. Ursula Braun
ursula.braun@gmx.de


Anja Blechschmidt

Ko-Konstruktionen als Strategien des Verstehens-Managements

Zusammenfassung

Eine wesentliche Kompetenz von Gesprächsführung ist das Verstehens-Management. Als Sprachhandeln erarbeiten sich GesprächspartnerInnen multimodale Strategien, um ihr kommunikatives Ziel zu erreichen. Ko-Konstruktionen sind spezifische Strategien des Verstehens-Managements.

Als zentraler Forschungsgegenstand werden die in Gesprächen enthaltenen Produktionselemente und -strategien sowie die daran anknüpfenden Rezeptionselemente detailliert betrachtet.

Ziel des vorgestellten Projekts ist die Beobachtung und Ermittlung von Spezifika kommunikativer Ressourcen in Gesprächen mit Kommunikationshilfen.

Der Forschungsgegenstand wird über einen Korpus von Gesprächen zwischen UK-nutzenden Personen und lautsprachlich kommunizierenden Förder- oder Therapiepersonen in schweizerdeutschen und hochdeutschen Gesprächssituationen mit der Methode der videobasierten Gesprächsanalyse (Gülich & Mondada, 2008) über die Schritte der Datenerhebung, Datenaufbereitung und Datenanalyse untersucht.

Als erste Resultate sind ko-konstruktive Strategien im Korpus spezifiziert worden. Wiedergebende und interpretierende Ko-Konstruktionen wurden extrahiert.

Innerhalb der Gespräche zeigen diese sich als Minisequenzen in drei Phasen: Erstäußerung, Ko-Konstruktionsreaktion, anknüpfende Äußerung.

Schlussfolgernd können die analysierten Gesprächssequenzen zu einem öffentlichen Strategie- und Code-Inventar erweitert werden, aus dem für Weiterbildung, Förderung etc. geschöpft werden kann.

Co-Constructions as strategies in management of understanding

Abstract

An essential competence of conversation management is the management of understanding. As speech acts, interlocutors develop multimodal strategies in order to achieve their communicative goal. Co-constructions are specific strategies of understanding management.
As a central subject of research, the production elements and strategies contained in discussions as well as the related reception elements are considered in detail.
The aim of the presented project is the observation and determination of specifics of communicative resources in conversations with communication aids.
The subject of the research is examined via a corpus of conversations between AAC-using persons and communicating promoters or therapists in Swiss German and high German conversational situations with the method of video-based conversation analysis (Gülich & Mondada, 2008) on the steps of data collection, data preparation and data analysis.
As first results, co-constructive strategies have been specified in the corpus. Reproducing and interpreting co-constructions were extracted.
Within the discussions, these show themselves as mini-sequences in three phases: first utterance, co-construction reaction, consecutive utterance.
In conclusion, the analyzed conversation sequences can be extended into a public strategy and code inventory from which training, promotion, etc. can be drawn.

Prof. PH Dr. Anja Blechschmidt
Fachhochschule Nordwestschweiz
Pädagogische Hochschule
anja.blechschmidt@fhnw.ch

 

uk & forschung 6

Anna Lena Grans

Intersubjektive Austauschprozesse und die Entwicklung von Bedeutungsträgern am Beispiel von Intensive Interaction Zusammenhänge von Emotionen und Sprache in der Unterstützten Kommunikation

Zusammenfassung

Die aktuelle Forschung verweist auf einen engen Zusammenhang von Emotionen und Sprache, dessen Zusammenspiel in diesem Artikel aufgegriffen und auf das interdisziplinäre Fachgebiet der Unterstützten Kommunikation (UK) übertragen wird. Mit Emotionen im Fokus wird die interaktionistische Sichtweise um die intersubjektive Perspektive erweitert. Dabei gilt die intersubjektive Spieglung von beziehungsstiftenden Emotionen als Motor für die Sprach- und Kommunikationsentwicklung, welche sich durch die Innate Intersubjectivity Theory von Colwyn Trevarthen begründen lässt. Damit ist es ein neurobiologischer Hintergrund, der das Zusammenspiel von Emotionen und Sprache erklärt. Die intersubjektive Perspektive wird am Beispiel der Methode Intensive Interaction nach Dave Hewett und Melanie Nind beschrieben. So zeigt sich zum einen eine Verbindung von Emotionen und Sprache für die UK und zum anderen werden die Notwendigkeit der Theoriebildung sowie das stetige Abgleichen von Theorie und Praxis thematisiert.

Intersubjective exchange processes and the development of signs
An example of Intensive Interaction Relationships between emotions and language inAugmentative and Alternative Communication

Abstract

This article discusses the current research into the relationship between emotions and language in relation to the field of augmentative and alternative communication (AAC). It is argued that with the focus on emotion, the interactionist perspective expands to the intersubjective perspective of linguistic development. This is because intersubjective mirroring of relationship-creating emotions are considered as a medium for developing language and communication, which is consistent with the Innate Intersubjectivity Theory by Colwyn Trevarthen. The theory explains the relationship of emotion and language on a neurobiological background. Intensive Interaction developed by Dave Hewett and Melanie Nind is an example of using an intersubjective perspective in AAC. Finally the article considers the conjunction of emotions and language for AAC, while discussing the necessity of theorising and the need for a constant balance between theory and practice.

Anna Lena Grans
Humboldt-Universität zu Berlin
anna.lena.grans@hu-berlin.de


Prof. Dr. Jens Boenisch, Dr. Karolin Schäfer

UK-Beratung – und dann?
Zur Notwendigkeit einer weiterführenden Begleitung nach der UK-Beratung – Evaluationsergebnisse der UK-Beratungsstelle am FBZ-UK der Universität zu Köln

Zusammenfassung

Der vorliegende Artikel beschreibt die Ergebnisse einer Studie zur Qualität der Versorgung nach der UK-Beratung an der Beratungsstelle des Forschungs- und Beratungszentrums für Unterstützte Kommunikation (FBZ-UK) an der Universität zu Köln. Es werden Ergebnisse einer Evaluation von 92 Fragebögen zur UKBeratung vorgestellt, die jeweils sechs Monate nach der UK-Beratung an die Klienten ausgegeben wurden und Fragen zur Qualität der UK-Hilfsmittelversorgung und der anschließenden UK-Förderung enthielten. Deutlich wird die Notwendigkeit einer qualifizierten Begleitung unterstützt kommunizierender Klienten und ihrer Bezugspersonen auch nach Durchführung der Beratung und Hilfsmittelversorgung, damit Kommunikationshilfen und didaktische Konzepte sinnvoll in den Alltag integriert und Förderziele erreicht werden können.

AAC Consultation - and how to proceed?
The Need for further Support after AAC Consultation–Results and Evaluation of a Survey of the AAC2 Consultation Centre at the FBZ-UK, University of Cologne, Germany

Abstract

This article informs about the results of a survey on the quality of service delivery and therapeutic care after AAC consultation at the AAC Research and Consultation Centre (FBZ-UK), University of Cologne (Germany). The study analyses 92 questionnaires, which were sent to respective clients six months after the AAC consultation. An evaluation of the questionnaires clearly indicates the need for further qualified support after the AAC consultation and delivery of communication aids for the clients and their caretakers. Extended support by qualified professionals is expected to facilitate the integration of communication aids and teaching strategies into everyday life and to improve communication outcomes.

Prof. Dr. Jens Boenisch
Dr. Karolin Schäfer
Universität zu Köln
jens.boenisch@uni-koeln.de
karolin.schaefer@uni-koeln.de


Benita Richter

Die Rolle von Einzelfallhelfern im Implementierungsprozess der
Unterstützten Kommunikation

Zusammenfassung

Einzelfallhelfer fördern und unterstützen Kinder und Jugendliche, die ihre Kommunikationsbedürfnisse nicht allein durch die Verbalsprache erfüllen können. Dieser Artikel untersucht die Rolle von Einzelfallhelfer bei der Implementierung von Unterstützter Kommunikation (UK). Dabei haben qualitative Interviews umfangreiche Erkenntnisse über ihre Tätigkeiten, Erfahrungen und Einstellungen geliefert. Die Interviews wurden hinsichtlich der Rahmenbedingungen, Handlungskompetenzen und Zusammenarbeit von Einzelfallhelfer analysiert. Die Ergebnisse zeigen die Bedeutung von Einzelfallhelfer bei der Implementierung von Unterstützter Kommunikation. Sie halten Kontakt und stellen Verbindung zu dem sozialen Netzwerk des Klienten, bestehend aus Familienmitgliedern, Lehrkräften, Therapeuten und anderen her. Dennoch sind sie keine UK-Experten und Kooperation, berufliche Anerkennung und Interventionsziele fehlen, um das Potenzial der Einzelfallhilfe voll ausschöpfen zu können. Ergebnisse individueller, zwischen-menschlicher und struktureller Art werden anhand des Berufsbildes Einzelfallhelfer diskutiert und Handlungsempfehlungen für die Forschung und Behindertenhilfe gegeben.

The role of case workers in the process of implementing augmentative and alternitive communication (AAC)

Abstract

Case workers assist and help children and adolescents who cannot meet their communication needs through natural speech alone. This article describes the role of case workers in the process of implementing augmentative and alternative communication (AAC) methods. Qualitative interviewing offered rich insights into case workers‘ activities, experiences and attitudes. The interviews were transcribed and thematically analyzed regarding the general framework, action competences and collaborations of case workers. Findings revealed their significance for the implementation of AAC. Case workers make contact and stay in touch with the clients‘ social network consisting of family members, teachers, therapists and others. Nevertheless, they are no AAC experts and often cannot tap their full potential due to a lack of cooperation, professional recognition and intervention objectives. Discussion on the study’s findings refers to individual, interpersonal and structural aspects of the profession as a case worker and gives recommendations for further research and the social welfare system as well.

Benita Richter
Humboldt-Universität zu Berlin
benita.richter@hu-berlin.de


Jun. Prof. Dr. Ingo Bosse, Jacqueline Kostka, Cosima Nellen, Sema Olukcu, Leevke Wilkens

Individuelle Wege in der Unterstützten Kommunikation

Im diesjährigen Projektstudium des Bachelorstudiengangs Rehabilitationspädagogik der TU Dortmund arbeitete eine Gruppe von zehn Studierenden mit fünf Erwachsenen mit komplexen Kommunikationsbedürfnissen, um mit Hilfe eines Interventionskonzepts die Kommunikationsentwicklung dieser zu untersuchen.

Technische Universität Dortmund
ingo.bosse@tu-dortmund.de

 

uk & forschung 5

Dr. Diana Schmidt-Pfister

Lautsprachunterstützende Gebärden in der UK: Kulturkapsel(n)und die beginnende Wirkung von Grenzobjekten

Wandel und Kontinuität, Kultur und Individuum, Wissen und Handeln, Mensch und Technologie – diese Spannungsbögen sind in sich komplex und stets miteinander verwoben, wenn es um Prozesse der Verstetigung und Infragestellung von Standards geht. Die kulturanthropologische und wissenssoziologische Forschung arbeitet mit diversen analytischen Konzepten zur Durchdringung solcher multifaktorieller Dickichte. Die Positionierung und Nutzung verschiedener Sammlungen lautsprachunterstützender Gebärden (LUG) für Menschen mit geistiger Behinderung ist ein solches sozio-technologisches Dickicht. Die Kombination zweier Konzepte – epistemische Kulturen (Knorr Cetina 1999) und Grenzobjekte (boundary objects) (Bowker und Star 1999; Star 2010) – kann zum besseren Verständnis der (Eigen)Dynamiken dieses Feldes verhelfen. Beide Konzepte entspringen einer langjährigen, fallvergleichenden und qualitativ forschenden Tradition der Science and Technology Studies (STS). Die Entstehung des Mosaiks von Gebärdensammlungen für Menschen mit geistiger Behinderung zeigt sich aus dieser Sicht als ein geradezu typisches Fallbeispiel einer Entwicklung heterogener Standards, welche nicht konfliktfrei ist und dennoch verbindend wirkende Grenzobjekte birgt.

Dr. Diana Schmidt-Pfister
Universität Konstanz
diana.schmidt-pfister@uni-konstanz.de


Prof. Dr. Michael Wahl, Prof. Dr. Gregor Renner, Prof. Dr. Karin Terfloth, Prof. Dr. Wolfgang Lamers

Unterstützte Kommunikation in Förder- und Betreuungsgruppen:
Bedarf an Aus-, Fort- und Weiterbildungen – Ergebnisse einer deutschlandweiten Befragung

Abstract

Über den Bedarf an Unterstützter Kommunikation (UK) für Menschen mit komplexen Behinderungen in nachschulischen Förder- und Betreuungsgruppen (FuB) liegen bisher keine belastbaren Daten vor. Daher wurde 2014 eine deutschlandweite Bedarfserhebung als Onlineumfrage UK-FuB durchgeführt. In diesem Beitrag soll ein erster Überblick über die Qualifikation des Personals in Förder- und Betreuungsgruppen hinsichtlich Unterstützter Kommunikation gegeben werden. Die Ergebnisse zeigen, dass der hohe UK-Bedarf in den FuB-Einrichtungen durch die Personal-Qualifikationen nicht ausreichend abgedeckt wird und hierbei ein Mangel bzw. Handlungsbedarf an angemessener Wissensvermittlung bezüglich UK in den Aus-, Fort- und Weiterbildungen der Mitarbeiter der Einrichtungen besteht.

Prof. Dr. Michael Wahl
Humboldt-Universität zu Berlin
michael.arnold-wahl@hu-berlin.de

Prof. Dr. Gregor Renner
Katholische Hochschule Freiburg
gregor.renner@kh-freiburg.de

Prof. Dr. Karin Terfloth
Pädagogische Hochschule Heidelberg
terfloth@ph-heidelberg.de

Prof. Dr. Wolfgang Lamers
Humboldt-Universität zu Berlin
lamers@hu-berlin.de


Prof. Dr. Ingo Bosse, Leevke Wilkens

Etablierung, Implementierung und Vernetzung:
UK in Wohn- und Werkstätten der Dortmunder Behindertenhilfe – eine Projektstudie zu Barrieren und Förderfaktoren

Zusammenfassung

Die Etablierung, Implementierung und Vernetzung von Unterstützter Kommunikation in ausgewählten Bereichen der Dortmunder Behindertenhilfe wird durch eine Methoden- und Perspektiventriangulation in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung eines Trägers, in einem Tagesförderbereich einer Wohneinrichtung eines anderen Trägers und in einem UK- Büro, das als dezentrale Einheit der WfbM auch ein Kooperationsprojekt beider Träger ist, untersucht. Dazu wurden Experteninterviews, eine Gruppendiskussion und teilnehmende Beobachtungen durchgeführt. Die vergleichende Datenerhebung hat Bewusstsein und Wissen zu Unterstützter Kommunikation, wie auch die institutionellen Strukturen als zentrale Faktoren herausgearbeitet. Im Folgenden werden neben dem Vorgehen und den Ergebnissen auch die daraus zu ziehenden Konsequenzen in Form von Handlungsempfehlungen vorgestellt. Das Besondere der Studie ist, dass sie im Rahmen des Projektstudiums im dritten Studienjahr des Bachelor- Studiengangs Rehabilitationspädagogik an der TU Dortmund von der Projektgruppe Unterstützte Kommunikation durchgeführt wurde. In enger Zusammenarbeit mit Partnern der Dortmunder Behindertenhilfe konnte sich die 12köpfige Studierendengruppe mit fachlicher Begleitung zwei Semester ausschließlich diesem Forschungsprojekt widmen.

Jun. Prof. Dr. Ingo Bosse
Technische Universität Dortmund
ingo.bosse@tu-dortmund.de

 

uk & forschung 4

Prof. Dr. Andrea Erdélyi, Prof. Dr. Ingeborg Thümmel

They know it, but they don´t do it
Forschungsergebnisse zu Barrieren und Förderfaktoren in Bildungssystemen für Schüler mit komplexen Kommunikationsbeeinträchtigungenaus der Sicht von deutschen Lehrkräften, Erziehern und Schulbegleitungen

Zusammenfassung

Im Rahmen des deutsch-ungarischen Forschungsprojektes „Wie kann die Förderung mit dem Förderkonzept der Unterstützten Kommunikation (UK) von Schülern mit komplexen Kommunikationsbeeinträchtigungen in (inklusiven) Bildungseinrichtungen gelingen?“ wurden erste Ergebnisse der Experteninterviews von 16 deutschen und 12 ungarischen Pädagogen ausgewertet. Die Ergebnisse überraschen insoweit, als die Pädagogen in beiden Ländern eindeutig Barrieren und Förderfaktoren für eine gelingende Umsetzung von UK nennen, die vom schulischen Umfeld selbst zu verantworten und demnach auch zu beeinflussen sind. In Anbetracht der Ergebnisse der Interviews sind die Erfahrungender Experten die, dass sich im Praxisfeld wirkmächtige Barrieren und Förderfaktoren verorten lassen, die über den Erfolg der Umsetzung von UK entscheiden. Im Folgenden berichten wir über die deutschen Ergebnisse und ihre Konsequenzen.

Professor Dr. Andrea Erdélyi
Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg
andrea.erdelyi@uni-oldenburg.de

Professor Dr. Ingeborg Thümmel
Carl-von-Ossietzky-Universität Oldenburg
ingeborg.thuemmel@uni-oldenburg.de


Jonas Münz, Kamilla Münz, Prof. Dr. Jens Boenisch, Melanie Willke

Lese- und Schreibkompetenzen unterstützt kommunizierender Schüler im Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung

Abstract

Die Kompetenz, Lesen und Schreiben zu können, stellt in einer Informations- und Kommunikationsgesellschaft die zentrale Voraussetzung für Bildung sowie soziale, gesellschaftliche und kulturelle Partizipation dar. Insbesondere für unterstützt kommunizierende Menschen mit Körperbehinderungen, die auf alternative und Distanz überwindende Kommunikationsmedien angewiesen sind, öffnet sich mit sicheren Schriftsprachfähigkeiten das „Tor zur Welt“. Bisher liegen in Deutschland kaum Konzepte zum Schriftspracherwerb bei unterstützt kommunizierenden Kindern vor (Sachse 2008). Werden sie in diesem Bereich überhaupt gefördert, und wenn ja, mit welchem Erfolg? Die bislang völlig unzureichende Forschungslage war Anlass für die im Folgenden vorgestellte Studie. Sie hat die Lese- und Schreibkompetenzen von 150 körperbehinderten Kindern und Jugendlichen, die komplexe Kommunikationsmittel im Alltag nutzen, erfasst. Die Ergebnisse zeigen anhand einer Einteilung in Lese- und Schreibstufen ein differenziertes Bild zum Schriftspracherwerb unterstützt kommunizierender Kinder und Jugendlicher mit Körperbehinderung. Ferner erfolgt eine Analyse zum Einfluss von Kommunikationsmitteln und Fördersettings auf den Erfolg im Schriftspracherwerb. Die Ergebnisse basieren auf einer Befragung von Klassenlehrerinnen und Klassenlehrern an Schulen mit dem Förderschwerpunkt Körperliche und motorische Entwicklung in NRW.

Prof. Dr. Jens Boenisch, Melanie Willke
Universität zu Köln
jens.boenisch@uni-koeln.de
mwillke@uni-koeln.de
jmuenz@hotmail.de

 

uk & forschung 3

Prof. Dr. Jens Boenisch

Kernvokabular im Kindes- und Jugendalter
Vergleichsstudie zum Sprachgebrauch von Schülerinnen und Schüler mit und ohne geistige Behinderung und Konsequenzen für die UK

Abstract

Die Vokabularauswahl spielt eine wesentliche Rolle für das professionelle Handeln in der Sprachförderung von unterstützt kommunizierenden Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen. Sprachförderung in der UK impliziert neben der Kommunikationsverbesserung immer auch den Aspekt der Kognitionsförderung, denn die Förderung des Wortschatzes (Semantik, Lexik) unterstützt die Denkentwicklung. Allerdings ergibt sich in der Bereitstellung des Vokabulars für unterstützt kommunizierende Menschen ein Dilemma: Das zur Verfügung gestellte Vokabular sollte auf der einen Seite den Interessen und Lebensbedingungen des Nutzers entsprechen, auf der anderen Seite sollte es aber auch in spontanen Kommunikationssituationen flexibel einsetzbar sein. Der Anspruch, dass das Vokabular bei begrenzter Anzahl an Feldern auf der Kommunikationshilfe sowohl individuell abgestimmt als auch universell einsetzbar sein soll, erschwert die Auswahl des Vokabulars und die Gestaltung von Kommunikationsoberflächen enorm. Die Interessen der Person sind oft bekannt und relativ einfach auf den Kommunikationshilfen abbildbar. Demgegenüber ist universelles, flexibel einsetzbares Vokabular eine nicht geklärte Größe – weder inhaltlich noch vom Umfang. Der Rückgriff auf Häufigkeitslisten gesprochener Sprache ermöglicht hier einen ersten Zugang zum universellen Vokabular. Allerdings basieren bisherige Wortlisten gesprochener deutscher Sprache vor allem auf den Vorschulbereich (vgl. Boenisch/Sachse 2007) oder auf Schriftsprachanalysen (z.B. Zeitungen, Bücher; vgl. hierzu u.a. Veröffentlichungen des Instituts für Deutsche Sprache in Mannheim und die Wortlisten auf dem Wortschatzportal der Universität Leipzig). Die Schriftsprache unterscheidet sich in Wortwahl und Grammatikgebrauch jedoch deutlich von der Lautsprache, so dass diese Listen nur begrenzt für eine alltagsangemessene Sprachförderung von unterstützt kommunizierenden Kindern, Jugendlichen und Erwachsenen einsetzbar sind.

Vor dem Hintergrund der ersten größeren Wortschatzuntersuchung mit körperbehinderten und nicht behinderten Kindern in deutschen Kindergärten (Boenisch/Sachse 2007) stellt die hier vorliegende Studie weitere Ergebnisse aus neuen Analysen gesprochener Alltagssprache von Schülern/-innen in der Allgemeinen Schule und von Schülern/-innen im Förderschwerpunkt Geistige Entwicklung vor, vergleicht sie miteinander und leitet grundlegende Konsequenzen für die Sprachförderung von unterstützt kommunizierenden Kindern mit und ohne geistige Behinderung ab. Es werden folgende Fragen beantwortet: Inwieweit unterscheiden sich die am häufigsten gesprochenen Wörter von nicht behinderten Kindern und von Kindern mit geistiger Behinderung im Schulalter? Inwiefern wirkt sich eine geistige Behinderung auf die Rangfolge der gesprochenen Wörter in den Häufigkeitslisten aus? Inwiefern verändert sich der Anteil der Wortarten im Verlauf der Wortlisten und wie groß ist der Unterschied in der Nutzung verschiedener Wörter zwischen der Gruppe der nicht behinderten und der geistig behinderten Kinder und Jugendlichen?

Die Ergebnisse haben unmittelbar Einfluss auf die Sprachförderung, insbesondere auf die Vokabularbereitstellung für unterstützt kommunizierende Kinder, Jugendliche und Erwachsene mit und ohne geistige Behinderung.

Prof. Dr. Jens Boenisch
Universität zu Köln
jens.boenisch@uni-koeln.de


Kerstin Nonn

Gesucht wird eine Lokomotive, die den Spracherwerb zieht:
Das sozialpragmatische Spracherwerbsmodell von Michael Tomasello als theoretisches Bezugssystem für Unterstützte Kommunikation

kerstin.nonn@med.uni-muenchen.de

 

uk & forschung 2

Ruth Sarimski

Diagnostikverfahren TASP: Eine Evaluationsstudie

Sprachtherapeutin MA
ruth.sarimski@icpmuenchen.de


Dr. Johannes Hennies

Schnittstellen zwischen gebärdensprachlicher Mehrsprachigkeit und Unterstützter Kommunikation (UK)

Universität Bremen
johannes@hennies.org


Silvio Wagner, Prof. Dr. Klaus Sarimski

Entwicklung des Wortschatzes für Gebärden und Worte bei Kindern mit Down-Syndrom im Verlauf

„Gebärdenunterstützte Kommunikation“ wird in der Frühförderung von Kindern mit Down-Syndrom und anderen angeborenen Behinderungsformen als Methode zur Unterstützung der Sprachanbahnung diskutiert. Daten zum Verlauf des Wortschatzerwerbs von Gebärden und gesprochenen Wörtern, die bei 18 Kindern mit Down-Syndrom erhoben wurden, stützen diese Empfehlung

Pädagogische Hochschule Heidelberg
sarimski@ph-heidelberg.de


Dr. Marion Krause-Burmester

Umgang und Einsatz von Gebärden bei Kindern mit Down Syndrom
Gibt es einen Einfluss auf die Sprachentwicklung?

Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf
krause@phil.hhu.de

 

uk & forschung 1

Prof. Dr. Reinhard Krüger

homo significans: Der Mensch als Zeichenerzeuger
Förderung kommunikativer Kompetenzen und die neurologischen Grundlagen des Lernens bei Menschen mit ASS

Universität Stuttgart
profdrreinhardkrueger@gmx.de


Dr. Brita Schirmer

Das Kommunizieren lernen
Besonderheiten im Kommunikationsverhalten von Menschen mit Autismus-Spektrum-Störung und therapeutische Konsequenzen

Wie Reinhard Krüger in seinem Beitrag bereits erwähnt hat, kommt es bei Menschen mit Autismus-Spektrum-Störungen zu Abweichungen in der Funktionsweise des Gehirns, die u. a. zu Einschränkungen der kommunikativen Kompetenzen führen. In welchem Maße diese beeinträchtigt sind, ist individuell sehr unterschiedlich. Die Ausprägungen reichen vom Ausbleiben der Entwicklung einer differenzierten verbalen Sprache mit zugleich stark eingeschränkten nonverbalen Kommunikationsmöglichkeiten bis hin zu spezifischen, aber auf den ersten Blick gar nicht auffälligen Beeinträchtigungen im Sprachgebrauch und -verständnis bei zugleich gut entwickeltem Wortschatz und fehlerfreier Grammatik. Im Folgenden werden einige der ersten Auffälligkeiten im kommunikativen Verhalten eines kleinen Kindes mit Autismus-Spektrum-Störung näher erläutert und auf der Grundlage der bisherigen Überlegungen zur Funktionsweise des menschlichen Gehirns therapeutische Konsequenzen abgeleitet.

drbritaschirmer@netscape.net